Nord:
Lichterfelde-Ost

Ausgangspunkt der Entwicklung aller Gartenstädte in Berlin mit dem Bahnhof Lichterfelde-Ost und der ersten elektrischen Straßenbahn der Welt.

Hier nahm die Entwicklung ihren Anfang

Geburtsstätte der Gartenstädte

Wie arme Dörfer zu Villenvierteln wurden

Schnell erreicht der Reisende vom Zentrum in Fahrtrichtung Ludwigsfelde den S-Bahnhof “Lichterfelde-Ost” (1,5 km von der Unterkunft). Denn der ist zugleich Regionalbahnhof – und das nicht erst seit gestern: Den Bahnhof ließ der Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn eigens für die Anbindung der Gartenkolonie nach englischem Vorbild bauen. Um die von ihm dem preussischen König zugesagte Kadettenanstalt verkehrstechnisch anzubinden, fuhr hier die erste dauerhaft betrieben elektrische Straßenbahn der Welt.

Sehenswürdigkeiten in Lichterfelde-Ost
In nördlicher Richtung von Ihrer Unterkunft sind bereits die ersten Sehenswürdigkeiten fussläufig zu erreichen.

Lichterfelde

Zwar kaufte Carstenn vorwiegend Land von Bauern für die Pläne seines Villenviertels im Grünen; doch ist es nicht so, dass er auf jungfräulicher Brache plante. Im Gegenteil: Die Gegend ist zumindest der urkundlichen Erwähnung nach älter als Berlin selbst. Die Dörfer Lichterfelde und Lankwitz (benannt nach der “Lanke”, das heute nur untertage fliesst) existieren mindestens seit dem 13. Jahrhundert. Eine Kaufurkunde erwähnt Lankwitz wurde 1239 erstmalig. Damit ist es der älteste schriftlich verbürgte Ort auf heutigem Berliner Stadtgebiet noch vor Berlin selbst (1244). Das Dorf “Lichtervelde” taucht 1316 verschriftlicht auf, sein Namensgeber Arnoldus de Lichterfeld jedoch bereits 1289. Während es bis 1692 im Besitz der Familie verbliebt, wechselt danach die Herrschaft über das Rittergut mehrfach.

Giesensdorf

Im Prinzip müssen wir auch noch Giesensdorf (s. auch: West-Giesensdorf) erwähnen, ein wie viele andere Orte in dieser, im 12./13. Jahrhundert dünn von Slawen besiedelten Gegend von deutschen Siedlern aus Flandern, Westfalen und Niedersachsen gegründet. Vom “Ghiselbrechtstorp” lesen wir 1299 erstmals. Immerhin unterstellte die Kirche das Dorf Steglitz 1539 im Zuge der Reformation dieser Parochie Giesensdorf. Im 19. Jahrhundert entstand aus diesen Dörfern und Rittergütern dann Groß-Lichterfelde, das schließlich am 1. Oktober 1920 mit anderen Gebieten zum Bezirk Steglitz von Groß-Berlin vereint bzw. eingemeindet wurde; denn Lankwitz gehörte zuvor noch zum Landkreis Teltow. Diesen Bezirk Steglitz verschmilzt die Stadt dann 2001 mit Zehlendorf zu einem einzigen Bezirk Steglitz-Zehlendorf, zu dem Lichterfelde und Lankwitz nun gehören. 


1Friedhof Lankwitz

Der Friedhof Lankwitz (1,1 km von Ihrer Unterkunft) ist mit seinen zwei Hektar relativ klein. In jedem Fall ist von 1879 bis heute ein Ort der Besinnung und Beschaulichkeit. Gleich am Eingang ist die Friedhofskapelle im gotischen Backsteinbau. Auf dem Friedhof sind zwei Kriegsgräberanlagen, ein geschlossenes Feld mit 115 Einzelgräbern und ein Sammelgrab mit 112 Opfern der letzten Kriegstage, zu finden. Ein Gedenkstein ist 81 ausländischen Kriegsopfern gewidmet.

Friedhof Lankwitz
Eine ruhige Oase inmitten des Wohnviertels: der Friedhof Lankwitz.
Grabstätte Otto Lilienthal

Auf der Grabanlage fand auch Otto Lilienthal (1848–1896) seine letzte Ruhestätte. Auf seinem Grabstein steht “Opfer müssen gebracht werden”, angeblich seine letzten Worte. Auch der Erfinder des DIN-Papier-Formats Walter Porstmann (1886–1959) ist hier bestattet, zudem der preußische Staatsminister Arthur Hobrecht (1824–1912), der Berliner Politiker Michael Boris (1945–2004) und der Verleger/Politiker Hermann Müller-Sagan (1857–1912).


Die Petruskirche Lichterfelde

2Petruskirche

Auf dem Weg zum Bahnhof Lichterfelde-Ost (wenn wir den Oberhofer Weg wählen) kommen wir beim Oberhofer Platz (früher Wilhelmplatz im alten Giesensdorf) an der Petruskirche (1 km) vorbei. Geplant von Regierungsbaumeister Ernst Goldbach wurde ihr Grundstein 1897 gelegt und nach 19 Monaten erfolgte die Einweihung. Erbaut im neogotischen Stil ist das Gotteshaus im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben beschädigt worden.

Es konnte 1955–56 wiederhergestellt werden, wenn auch die ursprünglichen Wandmalereien des Oldenburger Malers August Oetken (1868–1951) aus den Jahren 1925–26 nur übertüncht wurden, da sie zu sehr unter Feuchtigkeit gelitten hatten. Zuvor hatte die nationalsozialistische Verwaltung es für Ausgebombte als Möbellager genutzt, so dass es keinen regelmäßigen Gottesdienst gab. Darüber hinaus gaben sie die Kirche dann auch noch zur Materialgewinnung frei. Selbst die ursprünglichen Bleiglasfenster verschwanden dabei.

Bereits im Ersten Weltkrieg hatte die Kirche Schaden genommen: Ihre Glocken waren für Kriegsmaterial eingeschmolzen worden. Im Jahr 1967 erhielt die Kirche eine neu Orgel mit 36 Registern. Gottesdienste hält die Gemeinde sonntags um 11:00. Gelegentlich kann der Musikliebhaber abends zu kleinen Preisen Konzerten lauschen. Mehr unter: petrus-giesensdorf.de


3Wochenmarkt am Kranoldplatz

Weiter Richtung Bahnhof treffen Sie auf den Wochenmarkt auf dem Kranoldplatz (1,5 km; mittwochs und samstags jeweils 08:00–14:00). Er zieht Besucher und Käufer aus der weiteren Umgebung an, die frisches Brot, Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse, Eier usw. besorgen wollen.

Der Wochenmarkt am Kranoldplatz zieht ein weites Publikum an.
Der Wochenmarkt am Kranoldplatz zieht Besucher aus der Region an.

Der Platz südlich des Bahnhofs wurde 1897 nach dem Eisenbahnbeamten Viktor Ferdinand von Kranold (1838–1922) benannt, zu einer Zeit als unter seiner Ägide als Präsident der Berliner Eisenbahndirektion die Anhalter Vorortbahn nach Groß-Lichterfelde Ost und der Bahnhof Hermannstraße in Neukölln gebaut wurden. König von Preußen Wilhelm II. hob ihn 1904 in den Adelsstand.


Die Nordseite des Bahnhofs Lichterfelde-Ost, Ausgangspunkt der Entwicklung der Gartenstädte.

4Bahnhof Lichterfelde-Ost

Der Bahnhof Lichterfelde-Ost (1,5 km von Ihrer Unterkunft) wurde 1868 eingeweiht. Der Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn hatte bewusst entlang der das verarmte Gutsdorf Giesensdorf durchschneidenden Anhalter Bahn (seit 1841) Flächen für seine Idee einer Gartenstadt vor der Metropole Berlin gekauft, um sogleich eine Anbindung ans Zentrum zu haben. Die Materialbahn zum Bau der Kadettenanstalt wurde nach deren Fertigstellung zur ersten, regelmäßig verkehrenden Straßenbahn der Welt umfunktioniert.

Bald entwickelte sich diese Infrastruktur zum Entwicklungsmotor der Region. Zwischen 1913 und 1916 hoben die Stadtplaner das gesamte Bahnhofsgelände auf einen Damm, um einen beschrankten Bahnübergang zu ersetzen. Im Zuge dessen entwarfen die Architekten Karl Cornelius und Alfred Lücking ein neues Empfangsgebäude, das sich in erster Linie Richtung Norden ausrichtet.

Erst 1925 erfolgte die Umbenennung von Haltestelle in Bahnhof Lichterfelde-Ost, schließlich hielten hier bis 1952 noch Fernzüge und bis Januar 1984 die S-Bahn. Dann übernahmen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das Areal und legten den Betrieb erst einmal still. Im Jahr 1995 nahm die Deutsche Bahn den Bahnhof als Endhaltestelle der S-Bahn 25 wieder in Betrieb, bevor sie dann die S-Bahnstrecke bis nach Teltow verlängerte. Und seit 2006 verkehren wieder Regionalzüge, mit denen Sie schnell in die Innenstadt kommen. 

Erste elektrische Straßenbahn der Welt fuhr von Lichterfelde-Ost zur Kadettenanstalt.

5Villa Folke Bernadotte

Im Jungfernstieg 19, in der Villa Folke Bernadotte (2 km), gleich hinter dem Bahnhof, hat der Fernseher seine Geburtsstätte. Hier tüftelte in seinem Labor der Hamburger Manfred von Ardenne (1907–1997) an der ersten elektronischen Fernsehübertragung. Er konnte sie 1931 in der Internationalen Funkausstellung in Berlin der Öffentlichkeit vorstellen. Die New York Times berichtete sogleich auf ihrer Titelseite. Von Ardenne war schon seit seiner Jugend von Rundfunktechnik fasziniert.

In der heutigen Villa Folke Bernadotte erfand Manfred von Ardenne den Fernsehempfänger.
Geburtsort des Fernsehers, dann Jazz-Club, heute eine Kita.
Manfred voN Ardenne, der Erfinder des Fernsehens.

Mit 16 Jahren bekommt er sein erstes Patent, weit mehr als 600 sollten folgen u.a. das Raster-Elektronen-Mikroskop. Auch entwickelte er bspw. für Loewe eine Verstärkerröhre, die die Produktion preisgünstiger Radioempfänger möglich machte. Von dem Erlös kaufte er o.g. Villa.

Die Villa von 1885 überstand unbeschadet den Zweiten Weltkrieg und die US-Army nutzte sie unmittelbar danach als Jazzclub. Der Bezirk Steglitz taufte sie nach Rückerhalt 1958 nach dem Schwedischen UN-Gesandten Folke Bernadotte Graf von Wisoborg (1895–1948) benannt. Seit 2006 unterhält ein privater Träger in der Villa ein Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum. 


Ratswaage Lichterfelde-Ost

6Ratswaage

Auf der Ratswaage (2,1 km; Charlottenstr. 64 (Ecke Elisabethstr.), 12247 Berlin) wogen Bauern und Händler bis 1968 ihre Waren und Produkte, bevor sie mit ihren Fahrzeugen weiter zum Verladen am Bahnhof Lichterfelde-Ost zogen. Fritz Freymüller  (1882–1950) konzipierte diese Fuhrwerkswaage 1917/18, um ein nicht mehr ausreichendes Vorgängermodell zu ersetzen. Das im Stil eines Gartenpavillons errichtetet Gebäude trug bis zur Bombennacht 23./24. August 1943 eine mit blauem Schiefer gedeckte Kuppel. Mit einer Maximallast von elf Tonnen und einer zu kleinen Länge genügte sie den immer schwerer werdenden LKWs nicht mehr.

Mit 27 qm ist das Waagenhaus mit der eigentlichen Waagenplattform davor die kleinste Liegenschaft der Stadt Berlin. Heute dient das Häuslein als Ausstellungsraum sowie als einziger Frauentreffpunkt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf: berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/politik-und-verwaltung/beauftragte/gleichstellung/ 

Quelle der Lanke

Quelle der Lanke

Die Quelle der Lanke (2,1 km), das dem Ort seinen Namen gab, liegt gleich daneben. Lanka bedeutete auf Polabisch Wiese bzw. Sumpf. In dieser westslawischen Sprache verständigten sich die im Nordosten Deutschlands siedelnden Stämme ab dem 7. Jahrhundert. Das drei Kilometer lange Bächlein fließt heute unterirdisch. Demnach markiert nur ein von Bildhauer Franz Merk gestifteter Findling den Ort.