Südwest:
Stahnsdorf

Ein Abstecher führt uns zur Großgemeinde Stahnsdorf. Einst kleines Dorf, dann Aufschwung durch den Teltow-Kanal sowie Garnisonsstadt im Dritten Reich und der DDR und schließlich beschaulicher Wohnort vor den Toren Berlins.

Aufschwung: Erst Teltow-Kanal, dann „Wiederwehrhaftmachung“

Vom Dorf zur Garnisonsstadt

Und dann zur amtsfreien Großgemeinde

Das slawisch-deutsche Sackgassendorf nahm mit der Bahnlinie und dem Teltow-Kanal ein Aufschwung zu bescheidenem Wohlstand. Neben dem Dorfanger mit Kirche lohnt vor allem der Besuch des Südwestkirchofs und des Wilmersdorfs Waldfriedhof – Biotope mit Gräbern berühmter Persönlichkeiten.

Dorfkern und Besiedelung im 20. Jahrhundert um die (ehemaligen) Kasernen – und die Friedhöfe als Besonderheit.

Geschichtliche Entwicklung Stahnsdorf

Das Sackgassendorf Stahnsdorf (10,9 km von Ihrer Unterkunft) wurde erstmals 1264 schriftlich festgehalten. Bei der Übergabe 1299 von Markgraf Otto IV. An den Bischof von Brandenburg bestand es interessanterweise aus zwei Teilen – einem slawischen und einem deutschen Teil. Und auch als das Geschlecht der Hake als Lehnsträger des Bischofs 1435 die Grundherrschaft zu Machnow übernahm, gehörte das „Deutsch- und Wendisch-Stahnsdorf“ dazu. Vermutlich ist dann bis 1480 die sorbische Sprache ausgestorben, da sie nicht mehr erwähnt wird. Wie auch die Dörfer in der Nachbarschaft wurde der Ort im Dreißigjährigen Krieg schwer verwüstet, so dass danach gerade einmal fünf Kossäten mit ihren Söhnen und zwei Knechten dort lebten. Eine langsame Erholung führte 1711 zu zwölf Bauern- und sieben Kossätenhöfen, was sich auch hundert Jahre danach noch nicht geändert hatte.

Erst Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich mehrere Gewerke wie Schneidermeister, Schumacher, Zimmerergeselle etc. niedergelassen. Und Anfang des 20. Jahrhunderts wies der Ort 93 Häuser auf. Der Teltow-Kanal (1906) und die S-Bahnstrecke Berlin-Wannsee führten schließlich zu Wachstum und Wohlstand: 1931 waren 179 Häuser zu verzeichnen. Seit 1935 war Stahnsdorf ein Standort der Wehrmacht, anschließend der Sowjetarmee. Die Bauern wurden enteignet und eine LPG Typ III etabliert. Verschiedene VEBs produzierten hier zu DDR-Zeiten. Mit der Eingliederung der Gemeinden Güterfelde, Schenkenhorst und Sputendorf 2001 wurde die jetzige Großgemeinde Stahnsdorf amtsfrei. 


1Dorfkirche

Die Baubeginn der Dorfkirche (11,1 km von Ihrer Unterkunft) von Stahnsdorf wird um 1200 vermutet. Sie ist einer der ersten Gotteshäuser in dieser Zeit und Gegend, deren Mauern um Kirchensaal, Chorquadrat und halbrunder Apsis aus sorgfältig behauenen Feldsteinen errichtet. Kirchenraum und Chor sind durch einen romanischen Triumphbogen getrennt. Zwei Türen gewähren Zugang, wobei die sog. Priesterpforte im Norden in die 1696 angebaute Sakristei führt und in zweifach abgetrennten Spitzbogen gestaltet ist.

Im Innern dominiert ein spätgotischer Flügelaltar mit geschnitzten Heiligenfiguren von 1430. Zwei weitere geschnitzte Figuren (15. Jh.) stellen die heilige Anna selbdritt und den auferstandenen Christus dar. Auf das Patronatsgestühl sind Wappen gemalt. Eine Taufschale aus dem 16./17. Jahrhundert und die Kanzel aus dem 17. Jh. ergänzen die Ausstattung.

Im Dreißigjährigen Krieg brannte der Dachstuhl aus und die Kirche verfiel.  Erst 1696 setzt die Familie Hake, denen das Dorf gehörte und die das Patronat über die Kirche innehatte, den Bau instand. Im Jahr 1779 wurde ein verbretterter Turmaufsatz aufgesetzt und die Kirche erhielt zwei Glocken. 

Dorfkirche in Stahnsdorf
Dorfkirche Stahnsdorf – Feldstein mit holzverkleidetem Turmaufbau
Dorfkirche in Stahnsdorf

Pfarre Stahnsdorf
Das Pfarrhaus von 1878.

2Pfarre

Das heutige Pfarrgebäude etablierte die Gemeinde 1878 und riss zeitnah einen Vorgängerbau ab. Im Jahr 2005/06 wurde es renoviert und zuM Gemeindehaus umgebaut.

Im Laufe seiner Geschichte plünderten napoleonische Truppen (1805–13) das vorige Pfarrhaus. In 1814 brannte die Pfarrwohnung aus und 1834 besuchte König Friedrich Wilhelm III. das Pfarrhaus und die Dorfkirche.


3Dorfanger mit Heinrich-Zille-Skulptur

Dem Heinrich Zille ist auf dem Dorfplatz eine Gedenktafel und Bronzeskulptur gewidmet. Der 1858 in Radeburg bei Dresden als Sohn eines Uhrmachers geborene Milieu-Maler und Karikaturist war als Kind mit seinen Eltern nach Berlin gekommen. Sie lebten erst Berlin-Rummelsburg, bevor „Pinselheinrich“ zur festen Größe der Berliner Kulturlandschaft wurde und er es sich leisten konnte mit Frau und drei Kindern nach Charlottenburg (Sophie-Charlotten-Straße) zu ziehen. Dort verstarb er, nachdem die Entbehrungen des Ersten Weltkrieges bereits zu Gicht und Diabetes geführt hatten, 1929 an einem Schlaganfall.

Die Stadt Berlin widmete ihm ein Ehrengrab auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof (s.u.), da der Charlottenburger Epiphaniengemeinde dort ein Areal gehörte. 

Heinrich-Zille-Skulptur Stahnsdorf

THW in Stahnsdorf, einst Schlieffen-Kaserne
Heute Sitz des THW, zuvor Kaserne.

4Schlieffen-Kaserne

Die Schlieffen-Kaserne (12,2 km; Heinrich-Zille-Straße) war die erste der drei Kasernen, die bereits am 8. September 1935 im Rahmen der „Wiederwehrhaftmachung“ in Stahnsdorf ihrer Nutzung an die Aufklärungsabteilung 3 (Kommandeur Oberstleutnant Paulus) übergeben wurde. 

Zu DDR-Zeiten war hier das NVA-Motschützenregiment 2 „Arthur Ludwig“ stationiert, zudem I. MSB, AA, PJB, NaKp., StabsKp.. Der Standort wurde 1998 aufgelöst. 2005 wurde die Kaserne abgerissen. Einzig das Gebäude an der Potsdamer Landstraße verblieb, in dem sich das Technische Hilfswerk (THW) eingerichtet hat sowie Wohnblocks in der John-Graudenz-Straße, die einst Familien von Berufssoldaten bewohnt hatten. Der benachbarte Truppenübungsplatz ist nun Freifläche. 

Schlieffen-Kaserne in Stahnsdorf
Innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden gestampft.
Schlieffen-Kaserne in Stahnsdorf

5Wilmersdorfer Waldfriedhof

Der Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf entstand aus Platznot auf der Begräbnisstätte im Berliner Stadtteil Wilmersdorf. Da durch die „Friedhofsbahn“ des Südwestkirchhofs bereits eine hervorragende Verkehrsanbindung bestand, erwarb die Gemeinde noch vor dem Ersten Weltkrieg ein 28 Hektar großes Areal in direkter Nachbarschaft, nämlich nördlich davon.

Der Gartenarchitekt und Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin Erwin Barth (1880–1933) legte Alleen an und teilte den Friedhof in Abschnitte auf, ohne jedoch den Waldcharakter zu zerstören. Die erste Beerdigung erfolgte 1921. Allerdings finden sich Grabsteine, die davor datieren; denn der Friedhof Maxstraße in Schöneberg musste verkleinert werden, um Platz für die „Welthauptstadt Germania“ zu schaffen.

Während der deutschen Teilung verwaltete weiterhin Wilmersdorf den Waldfriedhof, wobei er nicht für Beerdigungen genutzt wurde.  Nach der Wiedervereinigung erwies er sich aufgrund der Verwilderung als romantisches Fotomotiv. Inzwischen hat er wieder ein gepflegtes Aussehen und wird auch wieder für Beerdigungen genutzt. Übrigens ist er nicht mit dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde zu verwechseln, der sich südlich des Südwestkirchofs befindet. 


6Südwestkirchhof

Auf dem 206 ha großen Südwestkirchhof (13,2 km, Bahnhofstraße) liegen mehrere bekannte Persönlichkeiten bestattet. Entstanden ist der Waldfriedhof 1909 in S-Bahn-Nähe, da in Berlin kein Platz für weitere Friedhöfe war. Allerdings wurde die als „Witwenbahn“ bezeichnete S-Bahn-Linie mit dem Mauerbau 1961 eingestellt.

Die Atmosphäre inmitten der 200.000 Bäume ist mehr als beschaulich: 40 Vogelarten sind hier heimisch, selten Gräser und Blumen wachsen hier.

Natur pur auf dem Südwestkirchhof: entwurzelter Baum und Mausoleum
Natur pur auf dem Südwestkirchhof.
Die Kapelle des Südwestkirchof Stahnsdorf
Friedhofskapelle von Gustav Werner.

Die hölzerne Friedhofskapelle plante der Architekt Gustav Werner nach dem Vorbild norwegischer Stabskirchen. Jugendstil-Glasfenster und eine Orgel von Wilhelm Sauer wurden darin verbaut.

Heinrich Zille (Block Epiphanien – Feld 14 – Gartenstellen 34/35) liegt hier begraben, aber auch die Politiker Rudolf Breitscheid und Otto Graf Lambsdorff. Ebenso fanden Berliner Künstler wie Maler Lovis Corinth, Komponist Engelbert Humperdinck, Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, Schauspieler Manfred Krug hier ihre letzte Ruhe. Die Gräber von Unternehmern wie Werner von Siemens, Verleger Louis Ferdinand Ullstein und Gustav Langenscheidt finden sich ebenfalls hier.

Öffnungszeiten: 1.4.–30.9. 07:00–20:00. 1.–31.10. 07:00–18:00, 1.11.–28.2. 08:00–17:00, 1.–31.3. 07:00–18:00. suedwestkirchhof.de


7 Siedlung Kienwerder

Die Siedlung Kienwerder war sozusagen ein Spätkommer in Erschließung und Besiedelung des Berliner Südwestens. In den der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, als wieder nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg, Bautätigkeit einsetzte


Ludendorf-Kaserne in Stahnsdorf
Postkarte aus dem Dritten Reich.

8Ludendorff-Kaserne

Die Ludendorff-Kaserne (11 km; Güterfelder Damm) konnte am 30 Oktober 1938 in Dienst gestellt werden. Unter anderem war hier die Infanterie-Nachrichten-Ersatz-Kompanie beheimatet. Die NVA stellte sie folgenden Einheiten zur Verfügung: III. MSB, PB, PioKp., I-Kp., Ch.Kp.


9Bartsch-von-Sigsfeld-Kaserne

Die Bartsch-von-Sigsfeld-Kaserne(12,4 km; Annastr.)  in Stahnsdorf hat ihre Existenz der „Wiederwehrhaftmachung des Reiches“ im Jahre 1935 zu verdanken; ihren Namen hingegen dem deutschen Erfinder und Luftschiffahrt-Pionier Hans Bartsch von Sigsfeld (1861–1902), der mit seinem Ballon tödlich verunglückte. Sie war eine von drei Kasernenanlagen plus Wohnhäuser für Offiziere und Zivilangestellte in Stahnsdorf und reichsweit eine von 532 Heereskasernenneubauten in der Zeit von 1934 bis 1938.  

Bartsch-von-Sigsfeld.Kaserne, heute Amtssitz der Gemeinde Stahnsdorf
Einst Kaserne, heute Amtssitz der Gemeinde Stahnsdorf.
Bartsch von Sigsfeld
Luftschiffahrt-Pionier Hans Bartsch von Sigsfeld (1861–1902)

Die Panzer-Nachrichtenabteilung 39 zog am 30. Juli 1936 feierlich – d.h. Ansprachen durch Bürgermeister, NSDPA-Ortsgruppenleiter etc. – mit Schlüsselübergabe durch das Heeresbauamt ein. Hier diente u.a. der spätere Generalfeldmarschall der 6. Armee Friedrich Paulus, damals als Oberst. 

Die Kaserne überstand trotz Bombeneinschlägen in unmittelbarer Nähe den Zweiten Weltkrieg unbeschadet und wurde kampflos übergeben, so dass die Sowjetarmee die Anlage bis 1992 nutzen konnte, jedoch verwahrlost zurückließ. Anlaß genug für Abenteurer und Vandalen, die Gebäude heimzusuchen, bevor 1998 eine umfangreich Sanierung begann und es 1999 zum Amtssitz der Gemeinde Stahnsdorf wurde. Zudem ist der Männerchor und der Heimatverein hier untergebracht. Der rechte Zwillingsbau, vormals das Stabsgebäude, wurde hingegen abgerissen. 

Bartsch-von-Sigsfeld-Kaserne in Stahnsdorf
Früher verschickte man tatsächlich solche Postkarten.

Buch von Peter Reichelt: "Im Ort gesehen"
Peter Reichelt: Im Ort gesehen

Mehr zum Thema Stahnsdorf und Umgebung finden sich in dem Buch von Peter Reichel „Im Ort gesehen“. Es behandelt Geschichte der Region um Stahnsdorf, Kleinmachnow, Teltow. Kirchengeschichte, Preußische Seidenzucht, Fratzensteine an Wohnhäusern, Mittelalterliche Wandmalerei Kirche, Kriegerdenkmal, Eiskeller…

Reichelt, Peter: Im Ort gesehen. Eigenverlag. Stahnsdorf, 2019. ISBN: 978-3000613814.